Rezension: Die Mutter meiner Mutter von Sabine Rennefanz



"Als der Krieg zu Ende war, fing für die vierzehnjährige Anna der Kampf erst an. Ihre Mutter war lange tot, ihr Vater von den Russen verhaftet worden, ihre Heimat verloren. Als Flüchtling machte sie sich mit ihren kleinen Brüdern allein auf den Weg nach Westen und fand in Kosakenberg, einem Dorf in der sowjetischen Besatzungszone, Unterschlupf. Am Hof der Familie Wendler kann sie als Magd härteste körperliche Arbeit leisten. 1949 kehrt Friedrich Stein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kosakenberg zurück. Das Deutschland, das er verlassen hat, gibt es nicht mehr: seine Familie ist tot, sein Anwesen von Flüchtlingen besetzt, das Dorf voller Sowjet-Propaganda. Ein gebrochener Mann, zwanzig Jahre älter als Anna. Anna macht die Traurigkeit in seinen Augen vom ersten Tag an Angst."

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"Ich habe etwas herausgefunden über deinen Großvater..."

Ich, ein Kriegsenkel, weiß wenig über das Leben und die Gefühle meiner Großeltern. Meine Großeltern mütterlicherseits leben noch. Die Mama meines Papas ist 2009 gestorben, ihr Mann ist nie aus dem Krieg zurückgekommen. Ich habe meinen Opa also nie kennengelernt. 

Meine Oma redet ab und zu über den Krieg, mein Opa will davon nichts wissen.Ich weiß, dass meine Oma auch für eine Familie gearbeitet hat und da sehr schlecht behandelt wurde. Meine Uroma hat sie da daraufhin wieder nach hause geholt. Andere hatten vielleicht nicht soviel Glück. Meine Uroma hatte 7 Kinder, die alle in der Kriegszeit Essen und Kleidung bekommen mussten. Meine Uroma arbeitete hart. Und die Kinder mussten auch schon hart arbeiten.

Die wenigen Informationen, die ich bekommen habe aus der Zeit des Krieges schaffen es nicht, dass ich richtig fühlen kann wie es den Menschen im Krieg erging. Von Gewalt, Angst und das eigene Zuhause verlassen müssen kann man hören, aber man fühlt nicht, weil man es nicht selbst erlebt hat. Wir können oft noch nicht einmal erahnen wie es ist Menschen, die man liebt zu verlieren durch den Krieg. Wir wissen nicht wie es ist zu hungern, wo wir doch unserem Hungergefühl manchmal keine 10 Minuten stand halten können und sofort zum gefüllten Kühlschrank rennen. Wir wissen nicht wie es ist sein Kind zu beerdigen, irgendwo in einem Wald, auf der Flucht.

Flucht, damals Thema, heute wieder Thema.Die Flüchtlinge damals wurden schlecht behandelt. Die Flüchtlinge heute werden schlecht behandelt. Hat Deutschland dazugelernt frage ich mich? Ich glaube nein.

Die Kriegsgenerationen haben Narben, die immernoch schmerzen können. Unsere Großeltern haben es nicht gelernt über Schmerz zu reden. Bloß nicht jammern ist die Devise. Vieles wird totgeschwiegen, oder schlechtes gut geredet.
Vieles können wir nicht verstehen, aber wir müssten mehr Nachsicht haben. Vielleicht auch nachfragen. Viele würden vielleicht reden, wenn sie gefragt würden.

Das Buch zu lesen macht nachdenklich. Das Thema Krieg wird in Deutschland noch lange aktuell bleiben, tagtäglich laufen Dokumentationen im Fernsehen. Trotzdem sind wir gefühlsmäßig weit weg von dem Thema. Was wissen wir über die eigene Familie? Wo kommen wir her? Wie haben unsere Großeltern den Krieg erlebt und überlebt? Welche Tragödien haben sie erlebt? Und was hat das aus Ihnen gemacht? Welche Menschen wären sie gewesen ohne den Krieg? Und wie hat das alle kommenden Generationen geprägt? Wer sich damit noch nicht beschäftigt hat, die Kriegsgenerationen haben ihre Ängste und Traumata weitergegeben an ihre Kinder, und diese an ihre Kinder.Es dauert lange bis ein Krieg wirklich zu Ende ist. Das Buch macht traurig und weckt viel Mitgefühl.Unsere Großeltern und Eltern haben schlimmes erlebt. Manche sind nie glücklich gewesen.

Ich sehe meine Kinder durchs Haus flitzen, spielend und glücklich. Und bin froh, dass sie es sein dürfen.



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